Bei Bussen mit ZA / AA ist es leider noch immer gelebte Praxis auf der Autobahn im 2WD-Modus unterwegs zu sein. Viele denken man würde dadurch Sprit sparen und die empfindliche Visco schonen, die auf der Autobahn sowieso nur unnütz mitläuft.
Beide Annahmen sind falsch. Denn der Bus braucht im 2WD-Modus sogar geringfügig MEHR Sprit und die Visco ist IMMER aktiv und übernimmt auf der Autobahn bis zu 40% der Antriebskräfte.
Zum Thema „empfindliche Visco“ können wir jetzt erstmals einen aktuellen Praxistest vorweisen. Wer den ATZ Artikel zur Entwicklung des „VW-Transporter Syncro“ in der Ausgabe Nr.9/1985 kennt, ist vielleicht über diesen Absatz gestolpert:“ Neben den angeführten Dauerläufen erfolgten auch Mißbrauchstest: […] Fahren mit Frontantrieb (Hinterachsantriebswellen demontiert) auf Alpenpässen [und] Ziehen von Lasten mit dieser Antriebsart […]“.
Wir hatten schon länger geplant den damals durchgeführten Missbrauchstest nachzustellen, waren aber nie dazu gekommen.
Um den Jahreswechsel erreichte uns dann der verzweifelte Anruf eines deutschen Kunden, der auf Urlaubreise in Sizilien kurz nach Palermo mit einem Getriebeschaden gestrandet war. Der Kunde hatte die hinteren Antriebswellen demontiert, dadurch waren die fürchterlichen Geräusche aus dem Getriebe erstmal weg. Getriebe oder Getriebebestandteile waren in Sizilien nicht aufzutreiben. Wir sollten einschätzen ob es möglich wäre als reiner Frontantrieb die Reise fortzusetzen, bzw. wie lange die Visco dies überleben würde. Wir konnten zwar auch keine Prognose in Kilometer abgeben, sagten dem Kunden aber eine neue Visco nach dem Mißbrauchstest zu – unabhängig vom Ergebnis. Wir empfahlen zudem, der Visco vermehrte Kühlpausen zu gönnen und bergab nach Möglichkeit auf die Motorbremse zu verzichten, da hier die größte Temperatur-Belastung zu erwarten war.
Danach bekamen wir noch unregelmäßig ein paar Urlaubsfotos zu Gesicht, wurden aber erst wieder kontaktiert als der Bus die Rückreise nach Deutschland bereits (erfolgreich) absolviert hatte.
Daraufhin fragten wir nach den Umständen der (Rück-) Reise:
Servus Kunde,
kannst du circa einschätzen wieviel Kilometer du mit dem Visco-Frontantrieb unterwegs warst?
Was war die Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn damit? Habt ihr öfters Pausen gemacht, oder wie lange war die höchste Fahrdauer?
Bin schon sehr gespannt auf das Meßergebnis der Visco.
Antwort Kunde:
Ich bin von Genua bis nach Hause in 7 Stunden gefahren (680 km). Höchstgeschwindigkeit waren laut Tacho 110 km/h, wir haben einmal einen Fahrer-Wechsel am San Bernardino gemacht (10 min). In Sizilien waren es 600 Kilometer und einmal auf den Ätna hoch.
Wir waren zwar schon einmal selbst in Sizilien mit dem Bus, und auch auf dem Vulkan Ätna. Aber da die Erinnerung nicht mehr so frisch war, haben wir dann die Route auf Google Maps rausgesucht. Auf den Ätna muss man bis zum letzten Parkplatz fast 2000 Höhenmeter überwinden (!)
Erst dann kam die Erinnerung, dass wir damals wegen dem Motor und den steilen Kehren zumindest eine Kühlpause eingelegt hatten. Übrigens sollte man (selbst im Hochsommer) die Winterjacke bei der Besteigung des Ätnas nicht vergessen.
Ehrlich gesagt hätte ich nicht erwartet dass die Visco DIESE Tortur überlebt. Zum Glück hatten wir keine Wette abgeschlossen. Wie ausgemacht schickten wir dann eine neue Visco los und warteten gespannt auf die Ankunft der gequälten Frontantriebs-Visco.
Am Prüfstand kam dann die nächste Überraschung: Die Visco hatte zwar im oberen Bereich ca. 5% an Wirkung eingebüßt, ähnliche Werte kannten wir aber bereits von anderen Viscos die normal gebraucht wurden. Die Hump-Temperatur als auch das Hump-Moment waren praktisch ident. Sonstiger Verschleiß war nicht feststellbar. Scheinbar lies die Visco das Sizilien-Abenteuer mit Frontantrieb völlig unbeeindruckt.
Der Kunde, der auch eine Werkstatt betreibt, schickte uns dann noch Fotos des Getriebeschadens. Das Schadensbild zeigte leider genau das, wovor wir immer warnen.
Leider meinte der Kunde die Visco schonen zu müssen und war auf der Anreise nach Italien mit seinem TDI-Syncro immer nur im 2WD-Modus mit deaktivierter Visco unterwegs. Dadurch wird die schwächste Stelle im Syncro-Getriebe, die Hypoidverzahnung von Triebling und Tellerrad, höher belastet als im 4WD-Modus. Dies zeigt sich auch durch wesentlich höhere Getriebetemperaturen, was auch bereits in einer Facebook-Gruppe bemerkt wurde:
Somit hat der Praxistest gezeigt, dass die T3-Visco wesentlich besser ist als ihr Ruf ist. Fast alle T3-Viscos sind damals am „Ölsaugen“ zugrunde gegangen, das jedoch völlig unabhängig von der Belastung ist. Zu Unrecht hat die Visco einen schlechten Ruf erhalten, dabei haben wir genügend Exemplare die selbst mit Laufleistungen >300tkm noch immer tadellos funktionieren. Sorgen sollte man sich eher um die Lebensdauer seines Schaltgetriebes, insbesondere wenn ein drehmomentstarker TDI-Motor im Heck verbaut ist.
Deswegen unsere Empfehlung: Allrad IMMER an, um das Getriebe zu schonen. Nur beim Rangieren und im Stadtverkehr kann man den Allrad aus Komfortgründen abschalten.