Über gerissene Visco-Kupplungen hatten wir schon berichtet. Eine zerborstene Visco-Kupplung ist aber relativ selten.
Laut unserer Statistik ist das Verhältnis circa 40 : 1, also auf 40 alte Viscos kommt eine gerissene. Das Alu-Gehäuse ist häufiger betroffen, aber keineswegs als eine generelle Schwachstelle zu betrachten. Denn es kommt auch vor, dass der Überdruck in der Visco den Stahldeckel sprengt.
Ursache des langsam ansteigenden Überdrucks ist die thermische Zersetzung des Silikonöls in gasförmige Verbindungen bei hohen Innen-Temperaturen. Besonders Viscos, bei denen die Hump-Temperatur schon über 70°C angestiegen ist, sind hier gefährdet.
Als Abhilfe füllen wir die Visco-Kupplung mit einem reaktionsträgem Inert-Gas, statt dem aggressiven Luft-Sauerstoff. Zudem stellen wir die Hump-Temperatur wieder auf circa 40°C ein, damit die hohen Reaktions-Temperaturen erst gar nicht entstehen.
Mindestens doppelt so häufig ist ein Gehäuse-Schaden durch Mangelschmierung. Denn die Stahlnabe im Alu-Gehäuse der Visco-Kupplung wird NICHT durch das Silikonöl geschmiert. Silikonöl ist zwar ein ausgezeichnetes Schmiermittel für Kunststoffe, hat aber keinerlei Schmiereigenschaften für die Paarung Metall-Metall. Peschke hat in seiner Doktorarbeit sogar von einem „Anti-Schmiermittel“ für Metalle gesprochen.
Die Schmierung der Stahlnabe wird somit vom Getriebeöl des Differentials übernommen. Deswegen sitzt der türkise Spezial-Wellendichtring ganz vorne an der Visco. Ist der Wellendichtring undicht oder beschädigt, dann kommt es an der Stelle zum Austritt von Getriebeöl. Deswegen darf man die Verzahnung (Keilwelle) der Getriebeeingangswelle vom Differential keinesfalls fetten, da sonst kein Getriebeöl zur Nabe der Visco nach vorne durchsickern kann.
Hier auf den Fotos sieht man kein (tiefschwarzes) Getriebeöl, sondern austretendes Silikonöl einer undichten Visco. Zur Unterscheidung: Silikonöl ist tiefschwarz und klebrig, während Getriebeöl sich schmierig angreift und meist viel heller ist.
Aufgrund der mangelhaften Schmierung kann es dazu kommen, dass sich die gehärtete Stahlnabe ins weichere Alu-Gehäuse einarbeitet, wodurch zuviel Bewegungsspielraum für die Nabe entsteht. Als Folge kann der dahinterliegende X-Ring seine Dichtwirkung nicht mehr einwandfrei erfüllen, und die Visco wird langsam aber stetig undicht.
Ausgangspunkt ist vielfach ein zu tiefer Ölstand im Hinterachs-Differential. Wir empfehlen den Ölstand mindestens einmal im Jahr zu überprüfen. Denn häufig entsteht die Undichtheit direkt hinter der Visco-Kupplung bei der Getriebeeingangswelle durch die rostige Wellenhülse. Durch die drehende Bewegung bleibt eine Tropfenbildung oft aus, und der Getriebeöl-Austritt bleibt unbemerkt.
Am Prüfstand erreicht eine undichte Visco-Kupplung aufgrund des hohen Luftanteils meist nur mehr einen Bruchteil der ursprünglichen 400 Nm. Dadurch steigt beim Geländeeinsatz die Gefahr der völligen Überhitzung, wenn der fehlende Allrad-Antrieb nicht rechtzeitig bemerkt wird.